Hermann-Ludolf Müller MÜLLER

Hermann-Ludolf Müller MÜLLER

Eigenschaften

Art Wert Datum Ort Quellenangaben
Name Hermann-Ludolf Müller MÜLLER
Beruf ev Theologe ; Theologe, Bischof der Kirchenprovinz Sachsen
Religionszugehörigkeit evangelisch

Ereignisse

Art Datum Ort Quellenangaben
Geburt 8. Oktober 1882 Calbe / Milde nach diesem Ort suchen
Taufe 4. November 1882
Tod 14. Februar 1959 Magdeburg nach diesem Ort suchen
Heirat 25. April 1911 Ziesar nach diesem Ort suchen

Ehepartner und Kinder

Heirat Ehepartner Kinder
25. April 1911
Ziesar
Hedwig-Irmgard BOY

Notizen zu dieser Person

Hinweis zur Person

Von seinen Taufpaten Ludolf von Alvensleben (Rittergutsbesitzer in Calbe) und Hermann Becker (Gymnasialprofessor) erhielt Ludolf Müller seine Vornamen.

In Calbe besuchte er die gleiche Ortsschule wie der spätere nationalistische Publizist Wilhelm Stapel (1882-1954), mit dem er zeitlebens die Verbindung aufrechterhielt. Im Oktober 1893 trat er wie seine Brüder Johann, Friedrich und Karl in das Pädagogium des Klosters Unserer Lieben Frauen zu Magdeburg ein, das er 1901 mit dem Abitur abschloß.
Zu seinen Schulfreunden zählte dort unter anderem Erich Herbst, später Besitzer des Verlages Moritz Diesterweg. Sein Studium der evangelischen Theologie nahm er zum Sommersemester 1901 in Tübingen auf. Wie sein Bruder Karl in Berlin und sein Schulfreund aus Calbe Wilhelm Arndt, trat auch M. dem nationalen Verein Deutscher Studenten zu Tübingen (VDSt) bei, dem damals zahlreiche evangelische Theologen angehörten. Schon nach vier Wochen trat er aber wegen seiner Abneigung gegen Alkohol wieder aus.
Nach seinem Wechsel nach Leipzig zum Wintersemester 1901/02 trat er dem VDSt wieder bei, in dem er nach eigenem Bekunden große Einblicke in die nationalen und sozialen Fragen der Zeit gewann. Außerdem knüpfte er dort Kontakte zu Bundesbrüdern (Mitglieder desselben studentischen Verbandes), die er Zeit seines Lebens nutzte und ausbaute. Zu seinen Kommilitonen im VDSt zählte M. während seines Studiums unter anderem Reichsbischof Ludwig Müller (1883-1945), den Historiker Prof. Justus Hashagen (1877-1961), den Theologen Prof. Martin Franz Dibelius (1883-1947), den Nationalökonomen Prof. Gerhard Kessler (1883-1963), den Reichstagsabgeordneten und Oberbürgermeister von Duisburg Prof. Otto Most (1881-1971), den Berliner DC-Pfarrer Karl Jakubski (1880-1940) sowie den führenden Vertreter der Jugendpflege Friedrich Reimers (1882-1915). Zum Wintersemester 1902/03 wechselte M. zur Universität Halle.
Zu seinen akademischen Lehrern im Studium zählten Gottschick, Grill, Schlatter (Tübingen), Hauck, Rudolf Kittel (dessen Sohn Gerhard Kittel ebenballs dem VDSt angehörte), Stumme, Schnedermann, Hofmann, Gregory, Fricke, Riecker, Wilhelm Wundt, Hasse, Wenle (Leipzig), Loofs, Kautzsch, Haupt, Kähler, Reischle, Heldmann (Halle).

M. schloß sein Studium im Sommer 1905 mit dem ersten theologischen Examen ab. Anschließend besuchte er im August/September einem sechswöchigen Kurs im Lehrerseminar in Neu Ruppin. Zu seinen Mitschülern zählte der Theologe Prof. Hans Rust (1879-1967).
Es folgte eine Tätigkeit als Lehrvikar in Gollme (Oktober 1905 bis Oktober 1906) und eine Hauslehrertätigkeit in Lauban/Schlesien (Oktober 1906 bis 1. April 1908).
Nach dem bestandenen zweiten theologischen Examen und der Zurückstellung in den Landsturm trat M. am 1. Mai 1908 sein erstes Pfarramt - zunächst nur zur Unterstützung des erkrankten Pfarrers, ab 1909 endgültig - in Dambeck bei Salzwedel (Altmark) an.

Am 25. April 1911 heiratete er Irmgard Boy (1891-1954), die Tochter des Superintendenten von Ziesar. Aus dieser Ehe gingen die Kinder Konrad (1912-1979; Kurator der Universität Göttingen, später Staatssekretär im Niedersächsischen Kultusministerium und zuletzt Vorstand der Werner-Reimers-Stiftung in Bad Homburg v.d.H.), Hildegard (geboren 1913), Gerhard (1915-1921), Ludolf (geboren 1917; ordentlicher Professor für Slawistik an der Universität Tübingen), Ingeborg (geboren 1918) und Gottfried (geboren 1924) hervor.

Neben der Gemeindearbeit betätigte sich M. 1909 bis 1914 besonders im Kampf gegen den Deutschen Bauernbund und dessen Bündnis mit dem Liberalismus. Da er sich in Dambeck zu Beginn des Ersten Weltkriegs unterfordert fühlte und dies nicht mit seinen Pflichten gegen Kirche und Vaterland vereinbaren zu können glaubte, vermittelte ihm sein Bundesbruder, der Reichstagsabgeordneten Reinhard Mumm (1873-1932), Kontakt zum "Ausschuß zur Errichtung von Soldatenheimen". Als freiwilliger Feldgeistlicher in Polen leitete M. ab November 1915 das Soldatenheim der kleinen Garnison von Plock. Diese für ihn unbefriedigende Arbeit wurde durch seine Versetzung zum Warschauer "Evangelisch-Augsburgischen Konsistorium" ersetzt.
Unter Beibehaltung des Ranges eines Feldgeistlichen übernahm er im Januar 1916 die Verwaltung des Pfarramtes der Kreisstadt Sierpc der lutherischen Kirche Polens. In Anerkennung seiner Arbeit erhielt er das Eiserne Kreuz.
Zum 1. April wurde er aus dem Heeresdienst entlassen. Seine zweite Pfarrstelle nahm er Anfang April 1917 im Städtchen Schönsee/Kowalewo (Westpreußen) an. Dort konnte er seine Familie nachkommen lassen, was zuvor im Besatzungsbereich nicht möglich gewesen war. In Schönsee setzte er sich nach Ende des Ersten Weltkrieges im Deutschen Volksrat in Wespreußen für die volksdeutschen Belange ein. Nach der Angliederung an Polen 1920 wurde M. durch polnische Behörden nach verschiedenen Drangsalierungen wie Hausdurchsuchungen wegen angeblichen Waffenbesitzes im August 1920 als vermeintlicher Aufrührer verhaftet.
Schließlich wurde M. im November 1921 als "lästiger Ausländer" ausgewiesen. Die Begründung lautete, daß er eine antipolnische Tätigkeit betrieben und sich an geheimen antipolnischen Verhandlungen beteiligt hätte. Der Einspruch des Posener Konsistoriums und die diplomatischen Bemühungen der deutschen Regierung gegen diesen Schritt blieben vergeblich.
In der Frühe des 5. November 1921 kam er mit seinen 4 Kindern nach nächtlicher Fahrt als Heimatloser auf dem Schlesischen Bahnhof an. Marie empfing sie und geleitete sie in den Frieden von Bethanien, um sich auszuruhen.
Von November 1921 bis März 1922 stand er auf Vermittlung seines Bundesbruders Bruno Geißler (1875-1961), Generalsekretär des Gustav-Adolf-Vereins, im Reisedienst des Brandenburger Hauptvereins des Gustav-Adolf-Vereins und war auf Wunsch des Konsistoriums Posen Mitglied der Verfassungsgebenden Kirchenversammlung der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union. Dort gehörte er zur Gruppe der "Positiven Union".
Im März 1922 übernahm er eine Pfarrei in Dingelstedt/Huy bei Halberstadt.
1924 gründete er auf Anregung Geißlers die "Vereinigung ehemaliger Ostmarkpfarrer".
1925 gab er die Schrift "Die unierte evangelische Kirche in Posen-Westpreußen unter der polnischen Gewaltherrschaft" heraus, die ins englische übersetzt und an englische und amerikanische Kirchenmänner versandt wurde.
Am 1. April 1927 übernahm er die Pfarrei in Heiligenstadt und die Superintendantur des Eichsfeldes. Die "Machtergreifung" der Nationalsozialisten stellte den Beginn eines neuen Abschnittes in seinem Leben dar. Sofort stellte er sich nach Gründung der "Glaubensbewegung Deutsche Christen" in den Dienst der Bekennenden Kirche.
Er nahm im Oktober 1933 an der konstituierenden Sitzung des Pfarrernotbundes teil und wurde als Vertreter der Provinz Sachsen in den Bruderrat gewählt. Dieses Engagement hatte im Februar 1934 seine Zwangsbeurlaubung, die Eröffnung eines Disziplinarverfahrens und zum 1. April eine Strafversetzung nach Staats (Altmark) zur Folge. Nach Einstellung des Disziplinarverfahrens im April 1934 erfocht sich M. mit einem Urteil des Landgerichts Nordhausen vom 20. November 1934 seine Rückkehr nach Heiligenstadt, die er am 4. Januar 1935 vornahm.
Die im Februar 1934 ausgesprochene Beurlaubung von der Superintendantur wurde am 30. Oktober 1935 aufgehoben.
Vom 23. Juni bis zum 1. Juli und vom 13. August bis 28. September 1937 kam er aufgrund seiner Tätigkeit für die Bekennende Kirche in Untersuchungshaft,
kurzzeitig war er auch am 7./8. März 1938 in Gestapo-Haft. Das Verfahren gegen ihn wurde aufgrund des "Straffreiheitsgesetzes" vom 30. April 1938 eingestellt.
Am 1. September 1939 wurde er zum Militärdienst einberufen, doch schon am 6. September wieder entlassen. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges nahm er maßgeblich am kirchlichen Wiederaufbau in der Kirchenprovinz Sachsen teil.
Am 8. August wurde M. auf Vereinbarung des Bruderrates und des Einigungsausschusses für die Provinz Sachsen sowie vom Evangelischen Konsistorium der Kirchenprovinz Sachsen in die vorläufige Geistliche Leitung der Kirchenprovinz Sachsen berufen. Kurz darauf stand M. als Präses und Vorsitzender an der Spitze der vorläufigen geistlichen Leitung der Kirchenprovinz Sachsen, zu deren
Bischof er am 20. Mai 1947 einstimmig gewählt wurde. In sein Amt eingeführt wurde er von seinem Bundesbruder Bischof Otto Dibelius (1880-1967) am 16. Juli 1947 im Dom zu Merseburg. Von der Universität Halle wurde ihm 1947 der D. h.c. verliehen.
Sein Amt hatte er bis zum Eintritt in den Ruhestand am 1. Oktober 1955 inne. Die beim Aufbau der Kirchenprovinz geführten Verhandlungen mit den Landesregierungen von Sachsen-Anhalt und Thüringen begannen zunächst in gegenseitigem Respekt. Durch den wachsenden Druck des SED-Regimes wurden die Verhandlungen aber immer mehr belastet, so daß wieder von einem "Kirchenkampf" gesprochen wurde. Dabei setzte sich M. nachhaltig für demokratische Wahlen, die Eigenständigkeit der kirchlichen Verkündigung und gegen die wirtschaftliche Belastung des Bauernstandes ein. Während des radikal antikirchlichen Kurses der DDR 1952/53 mußte M. erleben, daß die Kirchen der DDR Gewaltmaßnahmen wie die Verfolgung von Junger- und Studentengemeinde, Beschlagnahmung diakonischer Einrichtungen und die Inhaftierung kirchlicher Mitarbeiter nicht verhindern konnte. Aufmerksam verfolgte er daher die Einhaltung der Zusagen, die am 10. Juni 1953 als Zeichen des "Neuen Kurses" von der Staatsführung gemacht worden waren.
Bereits im Ruhestand übernahm er noch 1957 den Vorsitz der Hauptgruppe Halle des Gustav-Adolf-Werkes (ehemalige Provinz Sachsen), das letzte kirchliche Amt, das er bekleidete.

Kurz vor seinem Tod schrieb er seine Lebenserinnerungen handschriftlich nieder, die seine Tochter Hildegard 1998/99 maschinenschriftlich veröffentlichte. M. starb am 14. Februar 1959 in Magdeburg, seine letzte Ruhestätte fand er in Calbe. Im amtlichen Nachruf würdigte Müllers Nachfolger im Bischofsamt, D. Johannes Jänicke (1900-1979), dessen Wirken ab 1933: "Mit dem ganzen Einsatz seiner Existenz hat er nach 1933 führend in der Bekennenden Kirche im Kirchenkampf gestanden und als Präses der provinzialsächsischen Bekenntnissynode an den Entscheidungen unter dem Worte Gottes in jenen Jahren wesentlich Anteil gehabt. Sein unbeirrbar in den Anfechtungen der Kirche nüchternes und klares Urteil ist damals für viele Pfarrer und Gemeinden Weisung gewesen. - Nach 1945 hat er die zerstreute Herde der Kirchenprovinz Sachsen aufs Neue gesammelt und ist damit das geworden, was ihm 1947 bis 1955 als schweres und verantwortungsvolles Amt auferlegt wurde: der Bischof der Kirchenprovinz Sachsen in Magdeburg. Mit besonderen Gaben der Leitung ausgestattet, hat er in den Jahren des Aufbaues aus Trümmern dies Amt geführt und geprägt, ein guter Hausvater seiner Kirche, tapfer, fest und besonnen in großen Entscheidungen, umsichtig, sorgsam und treu im Kleinen."

Werke: Die unierte evangelische Kirche in Posen-Westpreußen unter der polnischen Gewaltherrschaft, Leipzig 1925 (Beihefte d. Zeitschrift "Die ev. Diaspora", Bd. 10) auf engl.: Protestants under polish rule, Berlin 1926;

Lebenserinnerungen, 4. Teile, hrsg. von Stephan Lutze und Hildegard Dell, Baden-Baden und Erlangen 1998/99 (MS / vorhanden in UB Halle)

Lit.: Wer ist wer? 1100 Kurzbiographien deutscher Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kultur, Berlin 1948, S. 555;
- Habel, Walter (Hrsg.): Wer ist wer? Das deutsche Who`s Who, 11. bis 13. Ausgabe von Degener`s Wer ist`s, Berlin 1951-1958;
- Internationales biographisches Archiv (Munzinger-Archiv) 16/1959;
- Altbischof D. Ludolf Müller zum Gedächtnis, in: Akademische Blätter, 61. Jg. 1959, S. 45-46;
- Geißler, Bruno (Hrsg.): Ludolf Müller. Bischof zu Magdeburg. Ein Diener der Diaspora und Kämpfer für das evangelische Bekenntnis. Ein Gedächtnisblatt von Freunden und Mitarbeitern, o.O. 1962;
- Geißler, Bruno: Der Diaspora-Seelsorger, in: ebd., S. 4-16;
- Staemmler, Wolfgang: Im Kampf der bekennenden Kirche, in: ebd., S. 17-35;
- Schapper, Helmut: Als Bischof der Kirchenprovinz Sachsen, in: ebd., S. 36-60;
- Kieser, Harro: Ludolf Müller, in: Gedenktage des mitteldeutschen Raumes, Bd. 1982, S. 116-117;
- DBA (Internationaler Biographischer Index), Fiche II 923, 212-213;
- Deutsche Biographische Enzyklopädie, Bd. 7, München 1998, S. 276;
- Müller, Ludolf Hermann, in: Wiehle Martin: Altmark-Persönlichkeiten. Biografisches Lexikon der Altmark des Elbe-Havel-Landes und des Jerichower Landes, Oschersleben 1999 (Mittelland-Bücherei, Bd. 17;
- Beiträge zur Kulturgeschichte der Altmark, Bd. 5), S. 119;
- Zirlewagen, Marc: Ludolf Müller, in: Keuffel, Gebhard R. (Hrsg.): 120 Jahre Verein Deutscher Studenten zu Tübingen, Essen 2003, S. 210-211;
- Schultze, Harald: Ludolf Müller, in: Lexikon der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen www.kirchenprovinz.de (15.1.2004)
Marc Zirlewagen
Letzte Änderung: 12.05.200

Von seinen Taufpaten Ludolf von Alvensleben (Rittergutsbesitzer in Calbe) und Hermann Becker (Gymnasialprofessor) erhielt Ludolf Müller seine Vornamen.

In Kalbe besuchte er die gleiche Ortsschule wie der spätere nationalistische Publizist Wilhelm Stapel (1882-1954), mit dem er zeitlebens die Verbindung aufrechterhielt.
Im Oktober 1893 trat er wie seine Brüder Johann, Friedrich und Karl in das Pädagogium des Klosters Unserer Lieben Frauen zu Magdeburg ein, das er 1901 mit dem Abitur abschloß.
Zu seinen Schulfreunden zählte dort unter anderem Erich Herbst, später Besitzer des Verlages Moritz Diesterweg. Sein Studium der evangelischen Theologie nahm er zum Sommersemester 1901 in Tübingen auf. Wie sein Bruder Karl in Berlin und sein Schulfreund aus Calbe Wilhelm Arndt, trat auch M. dem nationalen Verein Deutscher Studenten zu Tübingen (VDSt) bei, dem damals zahlreiche evangelische Theologen angehörten. Schon nach vier Wochen trat er aber wegen seiner Abneigung gegen Alkohol wieder aus.
Nach seinem Wechsel nach Leipzig zum Wintersemester 1901/02 trat er dem VDSt wieder bei, in dem er nach eigenem Bekunden große Einblicke in die nationalen und sozialen Fragen der Zeit gewann. Außerdem knüpfte er dort Kontakte zu Bundesbrüdern (Mitglieder desselben studentischen Verbandes), die er Zeit seines Lebens nutzte und ausbaute. Zu seinen Kommilitonen im VDSt zählte M. während seines Studiums unter anderem Reichsbischof Ludwig Müller (1883-1945), den Historiker Prof. Justus Hashagen (1877-1961), den Theologen Prof. Martin Franz Dibelius (1883-1947), den Nationalökonomen Prof. Gerhard Kessler (1883-1963), den Reichstagsabgeordneten und Oberbürgermeister von Duisburg Prof. Otto Most (1881-1971), den Berliner DC-Pfarrer Karl Jakubski (1880-1940) sowie den führenden Vertreter der Jugendpflege Friedrich Reimers (1882-1915). Zum Wintersemester 1902/03 wechselte M. zur Universität Halle.
Zu seinen akademischen Lehrern im Studium zählten Gottschick, Grill, Schlatter (Tübingen), Hauck, Rudolf Kittel (dessen Sohn Gerhard Kittel ebenballs dem VDSt angehörte), Stumme, Schnedermann, Hofmann, Gregory, Fricke, Riecker, Wilhelm Wundt, Hasse, Wenle (Leipzig), Loofs, Kautzsch, Haupt, Kähler, Reischle, Heldmann (Halle).

M. schloß sein Studium im Sommer 1905 mit dem ersten theologischen Examen ab. Anschließend besuchte er im August/September einem sechswöchigen Kurs im Lehrerseminar in Neu Ruppin. Zu seinen Mitschülern zählte der Theologe Prof. Hans Rust (1879-1967).
Es folgte eine Tätigkeit als Lehrvikar in Gollme (Oktober 1905 bis Oktober 1906) und eine Hauslehrertätigkeit in Lauban/Schlesien (Oktober 1906 bis 1. April 1908).
Nach dem bestandenen zweiten theologischen Examen und der Zurückstellung in den Landsturm trat M. am 1. Mai 1908 sein erstes Pfarramt - zunächst nur zur Unterstützung des erkrankten Pfarrers, ab 1909 endgültig - in Dambeck bei Salzwedel (Altmark) an.

Am 25. April 1911 heiratete er Irmgard Boy (1891-1954), die Tochter des Superintendenten von Ziesar. Aus dieser Ehe gingen die Kinder Konrad (1912-1979; Kurator der Universität Göttingen, später Staatssekretär im Niedersächsischen Kultusministerium und zuletzt Vorstand der Werner-Reimers-Stiftung in Bad Homburg v.d.H.), Hildegard (geboren 1913), Gerhard (1915-1921), Ludolf (geboren 1917; ordentlicher Professor für Slawistik an der Universität Tübingen), Ingeborg (geboren 1918) und Gottfried (geboren 1924) hervor.

Neben der Gemeindearbeit betätigte sich M. 1909 bis 1914 besonders im Kampf gegen den Deutschen Bauernbund und dessen Bündnis mit dem Liberalismus. Da er sich in Dambeck zu Beginn des Ersten Weltkriegs unterfordert fühlte und dies nicht mit seinen Pflichten gegen Kirche und Vaterland vereinbaren zu können glaubte, vermittelte ihm sein Bundesbruder, der Reichstagsabgeordneten Reinhard Mumm (1873-1932), Kontakt zum "Ausschuß zur Errichtung von Soldatenheimen". Als freiwilliger Feldgeistlicher in Polen leitete M. ab November 1915 das Soldatenheim der kleinen Garnison von Plock. Diese für ihn unbefriedigende Arbeit wurde durch seine Versetzung zum Warschauer "Evangelisch-Augsburgischen Konsistorium" ersetzt.
Unter Beibehaltung des Ranges eines Feldgeistlichen übernahm er im Januar 1916 die Verwaltung des Pfarramtes der Kreisstadt Sierpc der lutherischen Kirche Polens. In Anerkennung seiner Arbeit erhielt er das Eiserne Kreuz.
Zum 1. April wurde er aus dem Heeresdienst entlassen. Seine zweite Pfarrstelle nahm er Anfang April 1917 im Städtchen Schönsee/Kowalewo (Westpreußen) an. Dort konnte er seine Familie nachkommen lassen, was zuvor im Besatzungsbereich nicht möglich gewesen war. In Schönsee setzte er sich nach Ende des Ersten Weltkrieges im Deutschen Volksrat in Wespreußen für die volksdeutschen Belange ein. Nach der Angliederung an Polen 1920 wurde M. durch polnische Behörden nach verschiedenen Drangsalierungen wie Hausdurchsuchungen wegen angeblichen Waffenbesitzes im August 1920 als vermeintlicher Aufrührer verhaftet.
Schließlich wurde M. im November 1921 als "lästiger Ausländer" ausgewiesen. Die Begründung lautete, daß er eine antipolnische Tätigkeit betrieben und sich an geheimen antipolnischen Verhandlungen beteiligt hätte. Der Einspruch des Posener Konsistoriums und die diplomatischen Bemühungen der deutschen Regierung gegen diesen Schritt blieben vergeblich.
Von November 1921 bis März 1922 stand er auf Vermittlung seines Bundesbruders Bruno Geißler (1875-1961), Generalsekretär des Gustav-Adolf-Vereins, im Reisedienst des Brandenburger Hauptvereins des Gustav-Adolf-Vereins und war auf Wunsch des Konsistoriums Posen Mitglied der Verfassungsgebenden Kirchenversammlung der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union. Dort gehörte er zur Gruppe der "Positiven Union".
Im März 1922 übernahm er eine Pfarrei in Dingelstedt/Huy bei Halberstadt.
1924 gründete er auf Anregung Geißlers die "Vereinigung ehemaliger Ostmarkpfarrer".
1925 gab er die Schrift "Die unierte evangelische Kirche in Posen-Westpreußen unter der polnischen Gewaltherrschaft" heraus, die ins englische übersetzt und an englische und amerikanische Kirchenmänner versandt wurde.
Am 1. April 1927 übernahm er die Pfarrei in Heiligenstadt und die Superintendantur des Eichsfeldes. Die "Machtergreifung" der Nationalsozialisten stellte den Beginn eines neuen Abschnittes in seinem Leben dar. Sofort stellte er sich nach Gründung der "Glaubensbewegung Deutsche Christen" in den Dienst der Bekennenden Kirche.
Er nahm im Oktober 1933 an der konstituierenden Sitzung des Pfarrernotbundes teil und wurde als Vertreter der Provinz Sachsen in den Bruderrat gewählt. Dieses Engagement hatte im Februar 1934 seine Zwangsbeurlaubung, die Eröffnung eines Disziplinarverfahrens und zum 1. April eine Strafversetzung nach Staats (Altmark) zur Folge. Nach Einstellung des Disziplinarverfahrens im April 1934 erfocht sich M. mit einem Urteil des Landgerichts Nordhausen vom 20. November 1934 seine Rückkehr nach Heiligenstadt, die er am 4. Januar 1935 vornahm.
Die im Februar 1934 ausgesprochene Beurlaubung von der Superintendantur wurde am 30. Oktober 1935 aufgehoben.
Vom 23. Juni bis zum 1. Juli und vom 13. August bis 28. September 1937 kam er aufgrund seiner Tätigkeit für die Bekennende Kirche in Untersuchungshaft, kurzzeitig war er auch am 7./8. März 1938 in Gestapo-Haft. Das Verfahren gegen ihn wurde aufgrund des "Straffreiheitsgesetzes" vom 30. April 1938 eingestellt.
Am 1. September 1939 wurde er zum Militärdienst einberufen, doch schon am 6. September wieder entlassen. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges nahm er maßgeblich am kirchlichen Wiederaufbau in der Kirchenprovinz Sachsen teil.
Am 8. August wurde M. auf Vereinbarung des Bruderrates und des Einigungsausschusses für die Provinz Sachsen sowie vom Evangelischen Konsistorium der Kirchenprovinz Sachsen in die vorläufige Geistliche Leitung der Kirchenprovinz Sachsen berufen. Kurz darauf stand M. als Präses und Vorsitzender an der Spitze der vorläufigen geistlichen Leitung der Kirchenprovinz Sachsen, zu deren
Bischof er am 20. Mai 1947 einstimmig gewählt wurde. In sein Amt eingeführt wurde er von seinem Bundesbruder Bischof Otto Dibelius (1880-1967) am 16. Juli 1947 im Dom zu Merseburg. Von der Universität Halle wurde ihm 1947 der D. h.c. verliehen.
Sein Amt hatte er bis zum Eintritt in den Ruhestand am 1. Oktober 1955 inne. Die beim Aufbau der Kirchenprovinz geführten Verhandlungen mit den Landesregierungen von Sachsen-Anhalt und Thüringen begannen zunächst in gegenseitigem Respekt. Durch den wachsenden Druck des SED-Regimes wurden die Verhandlungen aber immer mehr belastet, so daß wieder von einem "Kirchenkampf" gesprochen wurde. Dabei setzte sich M. nachhaltig für demokratische Wahlen, die Eigenständigkeit der kirchlichen Verkündigung und gegen die wirtschaftliche Belastung des Bauernstandes ein. Während des radikal antikirchlichen Kurses der DDR 1952/53 mußte M. erleben, daß die Kirchen der DDR Gewaltmaßnahmen wie die Verfolgung von Junger- und Studentengemeinde, Beschlagnahmung diakonischer Einrichtungen und die Inhaftierung kirchlicher Mitarbeiter nicht verhindern konnte. Aufmerksam verfolgte er daher die Einhaltung der Zusagen, die am 10. Juni 1953 als Zeichen des "Neuen Kurses" von der Staatsführung gemacht worden waren.
Bereits im Ruhestand übernahm er noch 1957 den Vorsitz der Hauptgruppe Halle des Gustav-Adolf-Werkes (ehemalige Provinz Sachsen), das letzte kirchliche Amt, das er bekleidete.

Kurz vor seinem Tod schrieb er seine Lebenserinnerungen handschriftlich nieder, die seine Tochter Hildegard 1998/99 maschinenschriftlich veröffentlichte. M. starb am 14. Februar 1959 in Magdeburg, seine letzte Ruhestätte fand er in Kalbe. Im amtlichen Nachruf würdigte Müllers Nachfolger im Bischofsamt, D. Johannes Jänicke (1900-1979), dessen Wirken ab 1933: "Mit dem ganzen Einsatz seiner Existenz hat er nach 1933 führend in der Bekennenden Kirche im Kirchenkampf gestanden und als Präses der provinzialsächsischen Bekenntnissynode an den Entscheidungen unter dem Worte Gottes in jenen Jahren wesentlich Anteil gehabt. Sein unbeirrbar in den Anfechtungen der Kirche nüchternes und klares Urteil ist damals für viele Pfarrer und Gemeinden Weisung gewesen. - Nach 1945 hat er die zerstreute Herde der Kirchenprovinz Sachsen aufs Neue gesammelt und ist damit das geworden, was ihm 1947 bis 1955 als schweres und verantwortungsvolles Amt auferlegt wurde: der Bischof der Kirchenprovinz Sachsen in Magdeburg. Mit besonderen Gaben der Leitung ausgestattet, hat er in den Jahren des Aufbaues aus Trümmern dies Amt geführt und geprägt, ein guter Hausvater seiner Kirche, tapfer, fest und besonnen in großen Entscheidungen, umsichtig, sorgsam und treu im Kleinen."

Werke: Die unierte evangelische Kirche in Posen-Westpreußen unter der polnischen Gewaltherrschaft, Leipzig 1925 (Beihefte d. Zeitschrift "Die ev. Diaspora", Bd. 10) auf engl.: Protestants under polish rule, Berlin 1926;

Lebenserinnerungen, 4. Teile, hrsg. von Stephan Lutze und Hildegard Dell, Baden-Baden und Erlangen 1998/99 (MS / vorhanden in UB Halle)

Lit.: Wer ist wer? 1100 Kurzbiographien deutscher Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kultur, Berlin 1948, S. 555;
- Habel, Walter (Hrsg.): Wer ist wer? Das deutsche Who`s Who, 11. bis 13. Ausgabe von Degener`s Wer ist`s, Berlin 1951-1958;
- Internationales biographisches Archiv (Munzinger-Archiv) 16/1959;
- Altbischof D. Ludolf Müller zum Gedächtnis, in: Akademische Blätter, 61. Jg. 1959, S. 45-46;
- Geißler, Bruno (Hrsg.): Ludolf Müller. Bischof zu Magdeburg. Ein Diener der Diaspora und Kämpfer für das evangelische Bekenntnis. Ein Gedächtnisblatt von Freunden und Mitarbeitern, o.O. 1962;
- Geißler, Bruno: Der Diaspora-Seelsorger, in: ebd., S. 4-16;
- Staemmler, Wolfgang: Im Kampf der bekennenden Kirche, in: ebd., S. 17-35;
- Schapper, Helmut: Als Bischof der Kirchenprovinz Sachsen, in: ebd., S. 36-60;
- Kieser, Harro: Ludolf Müller, in: Gedenktage des mitteldeutschen Raumes, Bd. 1982, S. 116-117;
- DBA (Internationaler Biographischer Index), Fiche II 923, 212-213;
- Deutsche Biographische Enzyklopädie, Bd. 7, München 1998, S. 276;
- Müller, Ludolf Hermann, in: Wiehle Martin: Altmark-Persönlichkeiten. Biografisches Lexikon der Altmark des Elbe-Havel-Landes und des Jerichower Landes, Oschersleben 1999 (Mittelland-Bücherei, Bd. 17;
- Beiträge zur Kulturgeschichte der Altmark, Bd. 5), S. 119;
- Zirlewagen, Marc: Ludolf Müller, in: Keuffel, Gebhard R. (Hrsg.): 120 Jahre Verein Deutscher Studenten zu Tübingen, Essen 2003, S. 210-211;
- Schultze, Harald: Ludolf Müller, in: Lexikon der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen www.kirchenprovinz.de (15.1.2004)

8. Oktober 1882 : Geburt - Calbe/Milde
4. November 1882 : Taufe - durch Diakonus Pastor Bodenberg
--- : Beruf

evang. Theologe
1893 : Bildungsniveau - Pädagogium des Klosters Unserer Lieben Frau zu Magdeburg
--- : Schule - Ortsschule
--- : 3. Taufpatin - Helene Becker
--- : 2. Taufpate - Hermann Becker, Warener Gynasialprofessor
--- : 1. Taufpate - Ludolf v. Alvensleben, Rittergutsbesitzer in Calbe,
--- : Diplom - Bischof der Kirchenprovinz Sachsen
25. April 1911 : Heirat (mit Hedwig Irmgard Boy) - Ziesar
14. Februar 1959 : Tod - Magdeburg
Marc Zirlewagen

Quellenangaben

1 Autor dieses Stammbaums : Hildegard PAGANETTI (hup)
2 Hildegard Paganetti

Datenbank

Titel Fam. Kuhn, Oberstein
Beschreibung
Hochgeladen 2023-10-29 10:54:42.0
Einsender user's avatar Norbert Heinz Günter Kuhn
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